Sr. Ulrike Soegtrop kommentiert unsere derzeitige Tischlesung.*
«Mein Gott, das hab ich noch erlebt, das kommt mir vor wie aus einem anderen Jahrhundert.»
Dieser Gedanke, zusammen mit lebendigen Bildern vom herben und stolzen, ländlichen Leben im westlichen Münsterland steigen beim Hören oder Lesen dieses Buches auf. Wir Schwestern hören es zur Zeit mit Freude bei Tisch.
Lebendig, mit trockenem Humor und treffsicherer Lakonie, eindringlich beschrieben, berührend, kantig-sympathische Charaktere – all das zeichnet die Lebenserinnerungen des Historikers Ewald Frie aus, der mit zehn Geschwistern auf einem großen Hof in der Nähe von Nottuln aufgewachsen ist.
Zuchtbullen für die monatliche Auktion, Kühe und Schweine auf der Weide, Pferde vor dem Pflug, ein Garten für die Vorratshaltung – der Hof einträglich bewirtschaftet von Eltern, Kindern und Hilfskräften. Das bäuerliche Leben der Fünfzigerjahre scheint dem Mittelalter näher als unserer Zeit.
Der Autor Ewald Frie erzählt am Beispiel seiner Familie vom großen Veränderungsprozess der 1960er und 70er Jahre. Mit wenigen Strichen, anhand von vielsagenden Szenen und Beispielen zeigt er, wie die Welt der Eltern unterging, die Geschwister anderen Lebensentwürfen folgten und der allgemeine gesellschaftliche Wandel das Land erfasste.
Einst wohlhabende, angesehene und stolze Bauern gelten trotz aller technischen Modernisierung plötzlich als ärmlich und rückständig, ihre Kinder riechen nach Stall und schämen sich. Wege aus der bäuerlichen Welt weist die katholische Kirche mit neuer Jugendarbeit. Der Sozialstaat hilft bei Ausbildung und Hofübergabe. Schon in den Siebzigerjahren ist die Welt auf dem Land eine völlig andere. Die landwirtschaftliche Dramatik des kommenden neuen Jahrhunderts wirft bereits still und heimlich ihre Schatten voraus.
Ewald Frie hat seine zehn Geschwister, geboren zwischen 1944 und 1969, gefragt, wie sie diese Zeit erlebt haben. So manch ein:e Leser:in mag erinnert werden an die „gute alte Zeit“ und staunen, in welch rasantem Tempo so vieles verschwunden und so vieles neu geworden ist.
Ein Buch voll Wehmut, Einsicht und Dankbarkeit. Sehr zu empfehlen für stille Mußestunden.
Sr. Ulrike Soegtrop
* unter Zuhilfenahme des Klappentextes
Hier geht’s direkt zum Buch:
-
Ein Hof und elf Geschwister23,00 €
inkl. 7 % MwSt.
zzgl. Versandkosten